Was heißt hier freiwillig ?!? - eine Stellungnahme der SPD Kreistagsfraktion zum Thema freiwillige Aufgaben einer Kommune

Foto: Sonja Wagner

27. Februar 2021

Stellen sie sich vor, Sie sind ein Kneippkurort und dürfen nur bedingt Investitionen in ihre Kneippanlagen und Kureinrichtungen machen.

Stellen sie sich vor, sie sind ein heilklimatischer Kurort (der einzige in Bayern) und dürfen nur bedingt Investitionen machen und man schließt ihnen die Höhenklinik vor Ort, um sie im nahen Bayreuth mit nicht ganz so guter Luft neu zu bauen.

Stellen sie sich vor, Sie sind ein Fremdenverkehrsort in einer wunderbaren Lage im Fichtelgebirge, in der fränkischen Schweiz oder auf der Neubürg und sie haben hervorragende gute Ideen einen sanften, nachhaltigen Tourismus auszubauen….

… und dann kommt immer wieder dieses „aber Tourismus ist doch eine freiwillige Aufgabe und dafür habt ihr kein Geld“.
Freiwillige Aufgaben sind die Aufgaben einer Kommune die nicht ihrem unmittelbaren Funktionieren, sondern der Verbesserung der Lebensqualität dienen. Schulen oder Krankenhäuser, Bauhöfe oder Feuerwehren – das alles sind Pflichtaufgaben. Büchereien, Schwimmbäder, … sind ihrer Definition nach freiwillige Aufgaben.

Aber stimmt diese Einteilung noch?

In den Schwimmbädern lernen die Kinder schwimmen. Es wurden immer mehr Schwimmbäder geschlossen und wir werden eine Nation von Nichtschwimmern.
Büchereien ermöglichen einer breiten Bevölkerungsschicht den Zugang zu Informationen und damit zu Bildung.
Restaurants, Läden und andere Einrichtungen dienen zweifelsohne dem Freizeitwert der Bevölkerung.
Aber sehen wir die andere Seite des Freizeitvergnügens und der Erholung:
jemand verkauft das Eis, die Eintrittskarten, die Bücher, kümmert sich um unsere Gesundheit. Kurz gesagt, alle Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, verdienen damit ihren Lebensunterhalt, sorgen für ihr Alter vor, indem sie Rentenbeiträge bezahlen können.
Freizeiteinrichtungen sind gerade in einer Tourismusregion keine „freiwilligen Aufgaben“ die ein bisschen Fun ins Leben bringen, sondern knallharte wirtschaftliche Faktoren für die Bevölkerung und für die Kommunen.

Die in den Gemeinde- und Landkreisordnung in vor Jahrzehnten getroffene Unterscheidung wurde von der Realität komplett überholt. Es ist an der Zeit, dass dieser Fakt in der Politik erkannt wird und Investitionen in die touristischen Einrichtungen als Pflichtaufgaben, bzw. pflichtaufgabennahe Aufgaben, eingestuft werden. Unsere Entscheidungsträger in den Bereichen Kommunalaufsicht bei den Landratsämtern und der Regierung brauchen einen verbesserten Handlungsspielraum, nur so können sie wirksam Eingriff nehmen.

Eine Gemeinde, ein Landkreis kann dies nicht für sich selbst entscheiden. Hier ist die sogenannte große Politik, die Landespolitik gefragt.
Fraktionsvorsitzender Stephan Unglaub hat an die Abgeordneten für den Landkreis Bayreuth einen Brief bezüglich der Einstufung der touristischen Ausgaben geschrieben.
Es bleibt abzuwarten, wie die Abgeordneten und das bayerische Parlament auf diese Nachfrage reagieren. Den Wortlaut des Briefs finden Sie hier:

Sehr geehrte Damen und Herren.

Im Rahmen unserer Klausurtagung kamen wir auf ein altes, aber nach wie vor ungeklärtes Problem zu sprechen, weshalb ich mich heute mit der Bitte um Unterstützung an Sie/Euch wende.

Freiwillige Leistungen im Bereich von Tourismusinvestitionen und Ausgaben für den Tourismus– für prädikatisierte Kurorte notwendige „Pflichtaufgaben“?

Das Thema „Freiwillige Leistungen“, insbesondere von prädikatisierten Orten (Bäder, Heilbäder, Heilklimatische Kurorte etc.), führt nach wie vor zu einem Spannungsfeld im Bereich der Haushaltsführung, und der damit zusammenhängenden rechtsaufsichtlichen Prüfung und Genehmigung.

Zum einen betrifft es die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit der Haushalte, insbesondere aber auch den Bereich der Haushaltskonsolidierung im Hinblick auf Stabilisierungshilfen oder Bedarfszuweisungen.

Es führt, so die Erfahrung der letzten Jahre, immer wieder zum Argumentationsproblem für notwendige touristische Investitionen bzw. laufende Ausgaben für den Unterhalt und Betrieb touristischer Einrichtungen, die diese Orte vorhalten müssen, um ihre Aufgaben im Bereich Kur und Tourismus konkurrenzfähig erfüllen zu können.

Wäre es hier nicht möglich einen „Beurteilungsspielraum“ für die Kommunalaufsicht und alle weiteren Entscheidungsträger zu schaffen? Können solche Ausgaben im Haushalt für unsere Tourismusgemeinden nicht als „Ausgaben angenähert an Pflichtaufgaben“ definiert werden? Gibt es andere Möglichkeiten hier zu helfen?

Die Ausfälle in diesem Jahr machen die Gesamtsituation für unsere Tourismusgemeinden wohl noch schwieriger.

Für eine Prüfung dieser Sachverhalte, und damit verbundener Lösungsansätze, wären sicherlich alle betroffenen Gemeinden landesweit dankbar.

Gerne stehe ich bei Rückfragen zur Verfügung. Ich freue mich auf zeitnahe Rückäußerungen.

Alles Gute, und „gsund bleim“!

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Unglaub
Fraktionssprecher